Ötztaler Radmarathon 2008
Am Tag vorher noch die Aussage gemacht: 1 Stunde länger als letztes Jahr. Das wären so 10.25 - 10.30 Std.
Realistisch - Ca. 5000 Trainings - KM weniger in den Beinen. Das werden die Lightweight Laufräder leider auch nicht ganz wegmachen.
Die Vorbereitung am Wochenende war gewohnt locker. Am Anreisetag (Freitag) eine lockere Ausfahrt mit (bzw. hinter) Andre bis Ötz und zurück; ca. 60KM.
Die Wetterprognosen sind vielversprechend für den Sonntag. Samstag dann mit der kompletten Gruppe (Wolfgang und Holger sind noch zu uns gestossen) hinauf nach Vent zum Apfelstrudelessen.
Die Wärme ist schon irgendwie spürbar. Auf 1900 Meter immernoch sehr angenehm.
Am Sonntag Morgen gegen 6.00 Uhr bei angenehmen 12 Grad zum Start gerollt. Glücklicherweise haben wir gleich einen guten Standpunkt nach der 1. Startgruppe ergattert. Das sorgt für eine relativ ruhige Fahrt nach Ötz - ohne Positionskämpfe - die sich doch in den hinteren Startreihen regelmässig abspielen und entsprechende gefährliche Situationen nach sich ziehen.
Auf der schnellen Hatz nach Ötz hinunter zeigt der Blick zum Himmel das erwartete Wetter. Mit jedem Meter wird es heller und der Himmel blauer. Hitzeschlacht.
Relativ geschlossen fährt unsere Gruppe mit ca. 800 Mann (und Frau) in den ersten Anstieg zum Kühtaisattel. 18 KM - hinauf auf 2020 Meter; das sind mal lockere 1200 Höhenmeter.
Nach 10 - 12 KM Anstieg selektiert sich das Feld und man hat erstmals die Möglichkeit einen Blick auf die doch sehr schöne Landschaft zu werfen. Grasende Kühe begrüssen mich auf 1800 Meter. Guten Morgen. Eine kurze Flachstelle lässt das Radl auf 20 KM/H beschleunigen - genug um mit nassen Reifen auf dem Weidegitter wegzurutschen. Scheissdreck; der erste Gedanke - berghoch auf die Fresse fallen? Wem passiert den sowas? Wer fällt noch alles mit mir runter? Der Asphalt klärt die Situation - Bodenhaftung - es geht doch Sturzfrei weiter. Ich bin wach und wieder bei der Sache - die Letarghie des ständigen Bergaufstapfens ist wie weggeflogen. Das Andrenalin bestimmt wieder den Rythmus.
Die letzen 1000 Meter zum Passhöhe sind geprägt von Zuschauern, Begleitern, Fotografen und Anwohnern die mit Musik, Kuhglocken und Anfeuerungsgeschrei die morgendliche Ruhe der Bergwelt vertreiben.
Fast Blind durch die aufgehende Sonne auf der Passhöhe biege ich in die Verpflegungszone ein. Eine Banane zum Frühstück; mmm lecker. Die Wasserflaschen vollgefüllt und weiter geht es Richtung Innsbruck das Sellraintal hinunter. Der steilste Anstieg des Tages liegt hinter uns. Das beruhigt.
Die trockene Strasse, das gute Wetter, die fast kurvenlose Abfahrt hinunter nach Innsbruck laden ein zum laufenlassen. Gebremst wird nur an Ortsschildern - kurz. Die Uhr pendelt immer zwischen 70 und 90 Sachen. Der Brenner ruft. Bei der Fahrt durch das morgendliche, verschlafene Innsbruck offeriert der Blick auf den Tacho dann doch eine dreistellige Anzeige für die Höchstgeschwindigkeit. Grenzwertig.
Der neue Kreisverkehr signalisiert den Einstieg in den Brennerpass. 38 KM - 700 Höhenmeter - das ist wenig. Entsprechend schnell wird gefahren. Ständig über 30 Km/H. Es geht bergauf. Jeder in der 30 köpfigen Gruppe weiss das hier die letzten ruhigen, angenehmen Meter dieser Veranstaltung liegen. Essen, Trinken, Reserven auffüllen. Nach dem Pass muss jeder kämpfen; auf seine Art, mit sich und der Strecke.
Mittlerweile stehen 28 Grad an. Problemfrei komme ich mit der Gruppe ohne grosse Arbeit zum Brennerpass. Grenzübergang - bella Italia - Kontrollstation. Essen. Ein Helfer reisst mir die Trinkflaschen aus dem Halter und fragt was ich möchte - den Wunsch kaum geäussert - sind die Flaschen auch schon voll wieder drin. Das nenne ich Service - da kann sich so manch anderer Veranstalter was abschauen. Die Verpflegung am Brenner ist Überladen: Früchte,Brote, Suppen, Riegel, Käse, Kuchen, Kekse - für jeden was dabei. Nicht alles was für mich. Vollgestopft geht es weiter. Mit Grausen denke ich an Jaufenpass und Timmelsjoch. 5 Teilnahmen; ich weiss zu gut was mich erwartet. Ausblenden, den Körper und Geist täuschen. Alles machbar.
Ein (auch neuer) Kreisverkehr geleitet unsere kleine Gruppe zum Jaufeneinstieg. Die Kontaktmatte für die Zeitnahme piept und signalisiert das ich mich noch bewege. Der Veranstalter bietet hier übrigens einen kostenlosen SMS Service an. Die Zeiten und Standpunkte werden sofort übertragen. Klasse. Die Mädel´s die im Ziel auf uns warten sind so doch etwas informiert. Bei Maike kommen die Zeiten für alle Fahrer an. Das verspricht Disko am Handy.
Die ersten 2 Kilometer des Jaufenpasses erinnern mich irgendwie an Bilder vom Everst Basislager. Müll wohin man sieht. Riegelverpackungen, Gel - Verpackungen, Dosen, Wasserflaschen. Jeder stopft alles in sich rein und lässt den Rest fallen. Gut das hier der Veranstalter in die Pflicht genommen wird, den ganzen Kram säuberlichst aufzusammeln.
Am Jaufen hat man 20 KM mit 1100 Höhenmetern; das verspricht ne schöne Bergfahrt. In der Tat - der Jaufen lässt sich irgendwie angenehm Fahren. Die Steigung ist gleichmässig, der Wald im unteren Bereich schützt vor der Sonne, so lässt es sich vorankommen. Die letzten 3 Kilometer verdrängt man doch immerwieder gerne; das fällt mir so auf als ich darin feststecke. Kein Wald, die Baumgrenze weit unter uns, Wind. Aber - Menschen. Anfeuerungen von Wildfremden - für jeden. 3, 4 Kehren noch. Die vorletzte Passhöhe.
Von hier aus kann man schon hinabblicken ins Passeiertal und hinüber zum Passo Rombo - dem Timmelsjoch. Das Wetter ist traumhaft und wäre man nicht mit dem Rad unterwegs, könnte man des öfteren den herrlichen Ausblick geniessen. Die Gedanken schweifen zur letzen Aufgabe des Tages. Essen ohne Hunger, trinken was reingeht. Bis zur Jaufenpasshöhe sind es ca. 8 Liter. Der Magen rebelliert schon ob der Kombination von hoher Aussentemp. und kalten Getränken.
Die Abfahrt nach St. Leonhard ist die schönste der ganzen Runde. Aber auch die gefährlichste. Fehler werden bestraft. Der Asphalt ist grottenschlecht, kaum ein gerader Meter Strasse, uneinsehbare Kurven, und nach der Leitplanke geht es abwärts. Trotz 70 Sachen auf der Uhr fliegen noch andere Teilnehmer an mir vorbei - ich hoffe ich muss keinen aus dem Grünzeug holen. Der Anblick eines Kollegen an der Betonmauer sollte mir dann aber doch erspart bleiben.
Passo Rombo, der Scharfrichter. Hier kommt jeder auf seine Kosten und jeder an seine Grenzen. Entscheidung - für alle. 28 KM - ca. 1800 Höhenmeter. Hinauf auf 2509 Meter. Im Einstieg ein kurzen Blick auf den Radcomputer - 38,8 Grad. Das sag wohl alles. Alles klebt, alles nass. Brennende Augen.
Das was jetzt passiert hat mit Rad fahren nur noch wenig zu tun. Eine endlose Schinderei. Die Blicke sind leer. Jeder kämpft vor sich hin. Die 20 KM bis zur Verpflegungsstation an der Schönau sind endlos. Ich halte 5 KM vorher mal kurz am linken Strassenrand an. Der Wind bläst zu stark um die verfluchte Geltüte aufzureissen. Von einem nachfolgenden Fahrer ernte ich ein böses Lächeln und spottende Blicke - na du musst wohl anhalten? Mit dem sauteueren Radl? 500 Meter und 2 Kurven weiter fahre ich an ihm vorbei. Er steht mitten auf der Strasse und kotzt über den Lenker. Gerechtigkeit? Hehe und tschüss.
Die Verpflegungsstation nutzte ich nur kurz zum Auffüllen der Wasserreserven, weiter, das Finale ruft. Die letzten 10 KM - die letzten 800 Höhenmeter. Kein Baum mehr, nichts, Steine, Steine. Ich quäle mich hoch - 800 Meter vor dem Tunnel zu Passhöhe, ein parkender Audi, 2 Menschen, eine Dose Cola. Ein kurzen kurzes Kopfnicken und die kalte Dose wechselt den Besitzer. Danke nochmal. An wehn auch immer.
Der rumpelnde Generator sorgt für etwas Licht. Der Tunnel wird befahrbar. Schatten. Der letzte Kilometer zur Passhöhe ist fast flach. Nun hast du deinen Traum; steht auf dem grossen Banner über der Strasse.
Der Blick hinunter in das Ötztal lässt keine Hoffnung. Schwarze Wolken, Blitze, böses Gewitter. Über 2000 Meter ist sowas unberechenbar. Auf der Abfahrt wird die Tachoanzeige nochmal kurz dreistellig. Der kurze Gegenanstieg zur Mautstation kann und will einen auch nicht mehr wirklich aufhalten. 13 Euro für Automobile - für Radler frei. Es beginnt zu Hageln; Ruck Zuck eine Abkühlung auf 8 Grad. Nasser, kalter Wind, die Strasse unberechenbar glatt. Sichtweite 40 Meter. Das das sein muss. Auf den letzten Metern. Allein, keiner da. Findet oder sucht man hier einen Radfahrer der in der Geröllhalde liegt? Nicht wirklich. Nicht gleich. Nicht jetzt. Nicht bei dem Wetter. Gedanken die die Abfahrt prägen. Nach einsetzten des starken Regens zeigt der Tacho nie mehr als 40, 45 KM/H.
5 Minuten hin oder her spielen jetzt auch keine Rolle mehr. Es gilt die 10000 Euro sicher nach unten zu bringen; die Gesundheit natürlich auch. Das Söldener Ortschild taucht auf. Im Ort Zuschauer wie immer, trotz Regen, trotz Kälte. Respekt. Anscheinend interessiert sich doch einer für den Quatsch. Die letzte Kurve - Zieleinlauf. 10 Stunden 36 irgendwas. Die Prognose vom Samstag war so schlecht nicht. Zufrieden, gesund, Sturz- und Defektfrei. Bei den Kollegen lief auch alles glatt.
Nach dem Ötzi ist vor dem Ötzi oder wie war das? Die Anmeldung für 2009 ist im Februar...........
Bilder folgen heute abend.
Fetter Bericht, merci! :-)
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